Aktuelles Runder Tisch Politische Bildung

Rückblick 2024 des Runden Tischs für politische Bildung

Was hat der Runde Tisch für Politische Bildung Lichtenberg im Jahr 2024 gemacht?

Mit dieser kleinen Rückschau zeichnen wir nach, welche Projekte aus dem Runden Tisch mit den Teilnehmenden umgesetzt wurden und welche gesellschaftspolitischen Themen wir gemeinsam bearbeitet haben.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt unserer Arbeit war die Beschäftigung mit „unerhörten Perspektiven auf die Wendezeit“, mit der Zeit des Umbruchs und der gesellschaftlichen Transformation nach dem Mauerfall. Gerade in Lichtenberg war dies auch eine Zeit des Erstarkens des Rassismus und organisierter neonazistischer Strukturen (mehr Infos hierzu im Licht-Blicke-Podcast, Folge 7).

Wie haben Menschen, die selbst von Rassismus und Antisemitismus betroffen sind und Menschen, die sich gegen das Erstarken der extremen Rechten engagiert und organisiert haben, diese Zeit erlebt?
Wie blicken sie auf deutsch-deutsche Kontinuitäten von Rassismus und Antisemitismus?
Welche Strategien des Selbstschutzes und der Gegenwehr wurden erprobt, wie haben sich diese bewährt?
Und wie kann auf Grundlage dieser Erfahrungen auf die heutige Zeit geblickt werden?

Diesen Fragen wurde mit vier spannenden Zeitzeug*innen auf einer Podiumsdiskussion im Stadtmuseum Lichtenberg nachgegangen. Die vier Zeitzeug*innen sind auch Protagonist*innen des Kurzfilms „Da war ein Anfang, eine Mitte und ein Schluss?“ von Thomas Macholz und Mara Stirner, dessen Premiere auf der Veranstaltung gefeiert wurde.

Das Interesse an der Veranstaltung war überwältigend. Es kamen mehr Menschen, als im Veranstaltungsraum Platz finden konnten. Im Anschluss an die von Heike Kleffner moderierte Podiumsdiskussion gab es zahlreiche Fragen und Beiträge aus dem Publikum. Ein Bericht über die Veranstaltung findet sich hier, nachzuhören ist die Veranstaltung im Licht-Blicke-Podcast, Folge 08.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt lag auf der Beschäftigung mit Straßennamen mit antisemitischen Bezügen in Lichtenberg, die in einem 2021 veröffentlichten und vom Antisemitismusbeauftragten Berlins in Auftrag gegebenen Dossier genannt wurden. Die BVV hat hierzu am 16.6.2022 den Beschluss gefasst, dass der Bezirk eine Handlungsempfehlung erarbeiten soll, wie mit diesen Straßennamen umgegangen werden soll: „An diesem Prozess sollen insbesondere die Anwohner:innen der genannten Straßen, bestehende oder entstehende Initiativen vor Ort, die jüdische Gemeinde, Expertinnen und Experten sowie der Antisemitismusbeauftragte des Bezirks und die Gedenktafelkommission des Bezirks beteiligt werden. Ziel des Beteiligungsprozesses soll eine Entscheidung zum Umgang mit den in der Studie genannten Vorschlägen sein“. Aktuell liegt die Zuständigkeit für diesen Prozess federführend bei der AG Straßennamen des Bezirks.

Ausgehend von der Diskussion um Straßennamen mit antisemitischen Bezügen haben wir uns mit Fragen rund um öffentliches Gedenken und Ehrungen beschäftigt. Feststellen lässt sich, dass das paritätische Verhältnis von männlichen und weiblichen durch Straßennamen Geehrten in Lichtenberg noch bei 5:1 liegt. Wir haben uns deswegen auf die Spurensuche nach Frauen begeben, die sich auf unterschiedlichste Weise im Widerstand gegen den Nationalsozialismus eingebracht und einen Bezug zu Lichtenberg haben. Häufig ist über diese noch wenig bekannt und ihre Namen sind im öffentlichen Raum, bspw. als Straßennamen (noch) nicht präsent.

In drei spannenden Stadtspaziergängen in Rummelsburg, Karlshorst und Hohenschönhausen mit der Zeithistorikerin und Politikwissenschaftlerin Trille Schünke-Bettinger konnten wir einiges über antifaschistische Widerstandskämpferinnen aus diesen Kiezen erfahren, wie bspw. Brunhilde Prelle, Martha Butte, Käthe Tucholla, Rosa Kahn, Gertrud Rosenmeyer, Else Runge, Margarete Neumann, Helga Weckerling oder Margarete Rossignol. Ihre Aktivitäten reichten von Kurierdiensten über die Verbreitung und Herstellung illegalisierter Schriften, das zur-Verfügung-Stellen ihrer Wohnungen als geheime Trefforte oder als Verstecke für Verfolgte, die Unterstützung politisch Inhaftierter, bis hin zur Absicherung geheimer Treffen.

Auch Orte der Zwangsarbeit in Lichtenberg wurden thematisiert, wie bspw. in der Hönower Straße auf der Höhe Sokratesweg. Dort befand sich während des Zweiten Weltkriegs eines von über 3000 Berliner Zwangsarbeitslager. Über 500 Personen aus Italien, Polen und der damaligen Sowjetunion waren dort untergebracht. Zwangsarbeit war während des Nationalsozialismus ein sehr verbreitetes und sichtbares Phänomen. Von 1938 bis 1945 mussten etwa 13 Millionen Menschen aus fast allen Teilen Europas Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft leisten. In Berlin mussten etwa 600.000 Menschen Zwangsarbeit in den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen leisten: Rüstungsproduktion, Lebensmittelbetriebe, Beseitigung von Kriegsschäden, in Privathaushalten. Über die Geschichten der Menschen, die in Lichtenberg Zwangsarbeit leisten mussten oder hier in Zwangsarbeiter*innenlagern untergebracht wurden, wissen wir bisher aber nur sehr wenig.   

Sehr gefreut haben wir uns darüber, dass wir beim Stadtspaziergang in Rummelsburg von den Zeitzeuginnen Erika Rathmann und Gisela Lingenberg begleitet wurden. Über den Stadtspaziergang wurde in der rbb-Abendschau berichtet und er kommt in der sehenswerten rbb-Dokumentation „Geschichten von Mut und Hoffnung“ vor.

Alle drei Stadtspaziergänge waren sehr gut besucht, trotz Hitzewelle und parallel stattfindender Fußball-EM-Spiele. Das zeigt, dass in Lichtenberg ein großes Interesse an der Auseinandersetzung mit dieser Thematik besteht.

Auch für Jugendliche wurde in Kooperation mit der AG Gedenkstättenfahrt ein Kiezspaziergang angeboten, in dem die Jugendlichen aus vier Jugendfreizeiteinrichtungen mehr darüber herausfinden konnten, welche Formen des Widerstands mutige Menschen im Fennpfuhl während der Zeit des Nationalsozialismus gefunden haben, um gegen Krieg und Hetze tätig zu sein und Verfolgte zu schützen.

Wer mehr über das Thema wissen möchte, kann sich den Licht-Blicke-Podcast, Folge 03 „An wen wollen wir mit Straßennamen in Lichtenberg erinnern?“, anhören.

Über diese zwei Themenschwerpunkte hinaus gab es noch einige weitere Veranstaltungen und Aktivitäten.

Dazu gehörten zwei Workshops in einfacher Sprache mit der Möglichkeit der Gebärdenverdolmetschung, einer zum Thema Verschwörungserzählungen und einer zum Thema Menschenrechte.

Für das Projekt „Podcasten gegen Bedrohungen von Rechts in Hohenschönhausen“ wurde ein pädagogisches Konzept und Lehrmaterialien erstellt und Multiplikator*innen fortgebildet, die das Projekt mit einer Gruppe Jugendlicher aus Hohenschönhausen umsetzen werden.

Auch ein Online-Workshop fand statt, in dem sich in Lichtenberg und Hohenschönhausen Engagierte und Fachkräfte mit dem Thema beschäftigten, wie ihr Beitrag zu solidarischeren Online-Räume und gegen Hass im Netz aussehen kann. Das Training wurde angeleitet von „Love Storm“. Hier findet sich ein Bericht über den Workshop.

Freuen können wir uns auf eine Video-on-Demand-Plattform, auf der die Filme von „Dreh’s um“ in Zukunft unkompliziert zur Verfügung stehen werden. „Dreh`s um“ ist ein Filmworkshop, der vietdeutsche Jugendliche empowert und ihre Perspektiven im Deutschen Film stärkt. Aus den Workshops sind hochkarätige und sehr bewegende Filme entstanden. Der Film »Alles gehört zu dir« von Hien Nguyen und Mani Pham Bui wurde am 7.12.2024 mit dem Deutschen Menschenrechtsfilmpreis in der Kategorie „Non professionals“ ausgezeichnet. Dieser und weitere Filme werden ab dem 21.12.24, dem Deutschen Kurzfilmtag, auf der Video-on-Demand-Plattform zur Verfügung stehen. Ziel ist es, dass die Kurzfilme so auch für pädagogische Fachkräfte zugänglich sind, damit diese sie in ihrer Bildungsarbeit im Sinne des Empowerments und der rassismuskritischen Reflexion einsetzen können.

Auch für 2025 gibt es bereits zahlreiche Projektideen. Bereits geplant ist ein Workshop zum Thema Wahlen in einfacher Sprache im Vorfeld der Wahlen zum Bundestag im Februar 2025: „Meine Stimme zählt!“.

2025 werden wir weiter den Austausch zwischen Akteur*innen anregen, die in Lichtenberg im Feld der politischen Bildung aktiv sind, gemeinsam Bedarfe der politischen Bildung im Bezirk identifizieren und in kollaborativen Prozessen entsprechende Maßnahmen entwickeln und umsetzen, die einen Beitrag zu menschenrechtsorientierten Angeboten der politischen Bildung im Bezirk bilden, ein solidarisches Miteinander in Lichtenberg und Hohenschönhausen fördern und zur Partizipation anregen.

Ein herzlicher Dank geht an alle Mitglieder des Runden Tisches für politische Bildung Lichtenberg, die durch ihr Engagement die Konzeption und Umsetzung der Projekte ermöglicht haben, an alle aktiven und interessierten Lichtenberger*innen, die an den Veranstaltungen teilgenommen und sie durch ihre Perspektiven und Beiträge bereichert haben und nicht zuletzt an den Bezirk Lichtenberg und die Landeskommission Berlin gegen Gewalt, die über die Mittel der lokalen Gewaltprävention die Arbeit des Runden Tisches für Politische Bildung Lichtenberg ermöglichen.

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