19. Oktober 1904 in Berlin – 16. September 1982 in Ost-Berlin
Gertrud Rosenmeyer leistete von 1933 bis 1945 Widerstand in Berlin. Seit Beginn der 1950er war sie Leiterin der SED-Bezirksgruppe Lichtenberg, geriet aber immer wieder mit der offiziellen Parteilinie in Konflikt. Nach ihrem Tod wurde sie in der Grabanlage für Verfolgte des Nazi-Regimes in Lichtenberg beigesetzt.
„Am 4.2.42 erfolgten die Massenverhaftungen im Zusammenhang mit Robert Uhrig; ich wurde am 25.2.1942 verhaftet. Noch heute begreife ich nicht ganz, durch welche Umstände ich am 16.3.1942 wieder heraus kam. Ich war zuerst von Robert Uhrig und Fritz Siedentopf belastet worden. Beide wurden später hingerichtet. Robert Uhrig nahm sofort, als er bei der Gegenüberstellung mein Ableugnen sah, seine Belastung zurück, wie ja von ihm sein tapferes Verhalten bekannt ist. Fritz Siedentopf, ein schwacher Mensch, blieb bei seinen Belastungen. Ich war bei der Verhaftung sehr krank, hatte mit einer schweren Blutvergiftung des rechten Beines, zugezogen durch einen Bahnunfall, vorher 9 Wochen im Krankenhaus gelegen, konnte noch nicht laufen, wog nur 80 Pfund. Diesen Zustand nutzte ich aus, stellte mich noch kränker, stellte mich sehr naiv“[1]
Gertrud Rosenmeyer wuchs mit ihren zwei Schwestern in Neukölln auf. Ihre Eltern und ihre jüngere Schwester Lieschen starben früh an Tuberkulose. Nach dem Tod ihrer Mutter arbeitete Gertrud zunächst als Dienstmädchen, bis sie sich zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna ein Zimmer bei den Eltern einer Schulfreundin mieten konnte und als Montiererin arbeitete. 1923 trat sie in den Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) und die Kommunistische Partei (KPD) ein und engagierte sich in der Roten Hilfe (RHD) in Neukölln. Sie berichtete später, dass sie wie ihre Schwester auch sofort als führende Funktionärin in der Partei wirkte. Ihre Tätigkeiten waren nur unterbrochen durch Krankenhausaufenthalte aufgrund ihrer 1925 beginnenden Tuberkulose-Erkrankung.
Nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 organisierte Gertrud Rosenmeyer zusammen mit ihrer Schwester den Aufbau der illegalen Strukturen der KPD in Neukölln, verbreitete Flugblätter, gab geheime Informationen weiter, wirkte als Verbindungsfrau zu anderen Widerstandsgruppen, unterstützte Verfolgte und wurde bereits 1933 erstmals kurzzeitig inhaftiert. Bis 1935 musste sie ihre Aktivitäten aufgrund ihrer Erkrankung ruhen lassen. Dann arbeitete sie als Montiererin in einer Fabrik in Tempelhof und setzte ihre illegale Arbeit dort fort. Anfang der 1940er Jahre gehörte sie zur Widerstandsgruppe um den Kommunisten Robert Uhrig und hatte später Verbindungen zum Kreis um die kommunistischen Funktionäre Franz Jacob und Anton Saefkow. Nach diesen Männern sind Straßen und ein Platz in Lichtenberg benannt. Nach der Zerschlagung der Uhrig-Gruppe Anfang Februar 1942 wurde auch Gertrud Rosenmeyer verhaftet, konnte aber trotz massiver Beschuldigungen anderer Angeklagter ihre genauen Tätigkeiten verschleiern, auch aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes, indem sie sich noch kränker stellte als sie war. Es gelang ihr auch häufig, für konspirative Treffen private Gründe anzugeben. Über Ursula Goetze, mit der sie bereits seit Beginn der 1930er Jahre befreundet war, hatte sie ab 1940 Kontakte zur Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. 1944 kam es zu einem Treffen zwischen ihr und Anton Saefkow. Sie lehnte eine Beteiligung an den Aktivitäten Saefkows aus konspirativen Gründen ab und schützte dadurch einen großen Kreis vor der Verhaftung. Nach Kriegsende war sie die erste Vorsitzende der KPD in Neukölln. Anfang der 1950er Jahre zog sie wie ihre Schwester, die nach Lichtenberg zog, nach Ost-Berlin. Gertrud Rosenmeyer arbeitete trotz ihres schlechten Gesundheitszustandes hauptamtlich als erste Sekretärin der Kreisleitung der SED in Lichtenberg, geriet aber immer wieder in Konflikt mit der offiziellen Parteilinie, auch was die Bewertung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus anging. Für ein Parteikontrollverfahren 1951 wegen kritischer Äußerungen gegenüber einem übergeordneten SED-Politiker antwortete sie: „Bis jetzt ist es so: wenn mich oder meine Arbeit Genossen kritisieren, für die ich verantwortlich bin, kann die Kritik qualifiziert oder unqualifiziert an mich herangetragen werden; ich setze mich geduldig damit auseinander und nehme sie an. Kommt die Kritik an meiner Arbeit von einem übergeordneten Genossen oder einer übergeordneten Leitung, reagiere ich außerordentlich empfindlich auf den Ton. (…) Ist es die Auffassung an den übergeordneten Genossen, überlegen und helfend sein zu müssen, was auf keinen Fall Toleranz gegen Fehler bedeuten darf (eine Forderung, die ich an mich selber stelle)? Oder ist es vielleicht wirklich noch der Rest einer primitiven Antibonzenstimmung, aus meiner Zeit als Industriearbeiterin her, in der ich mich prinzipiell nicht von einem Vorgesetzen schlecht behandeln ließ.“[2]
Später arbeitete sie als Archivarin im Stadtarchiv Ost-Berlins.
Quellen:
- Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Neukölln. Berlin 1998
- Zeitzeuginnenbericht von Erika Rathmann, 5.7.2024.
- Elisa Zenck: Eine Gewerkschafterin im Widerstand. Gertrud Rosenmeyer (1904 – 1982). In: Informationen Nr. 99 (Juni 2024)
- Antrag auf Anerkennung als Opfer des Faschismus. Landesarchiv Berlin, Gertrud C Rep. 118-01, Nr. 7633
Glossar:
Rote Hilfe: Die Rote Hilfe Deutschland wurde 1924 als KPD-nahe Solidaritätsorganisation für in Not geratene Arbeiter:innen gegründet. Nach der Machtübertragung und der Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung kam es auch zu Verhaftungen in den Reihen der RHD, die sich deswegen neu organisieren musste. An die Stelle der überwiegend männlichen Verhafteten rückten häufig Frauen, die Unterstützung von Inhaftierten und deren Angehörigen mit Geld- und Lebensmittelsammlungen organisierten.
[1] Gertrud Rosenmeyer in ihrem Lebenslauf (erstellt für ein Kaderüberprüfungsverfahren). Privatbesitz
[2] Gertrud Rosenmeyer in ihrem Lebenslauf (erstellt für ein Kaderüberprüfungsverfahren). Privatbesitz.
Dieser Beitrag ist Teil des Projekts Widerständige Frauen gegen den Nationalsozialismus in Lichtenberg des Runden Tisches für Politische Bildung Lichtenberg in Kooperation mit der Zeithistorikerin Trille Schünke-Bettinger (Antifaschistinnen aus Anstand & Netzwerk Frauentouren) und Fritzi Jarmatz (Visuelle Kommunikation & Ideenräume).
Text & Recherche: Trille Schünke-Bettinger
Grafik: Fritzi Jarmatz