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Brunhilde „Hilde“ Prelle, Lichtenberger Arbeitersportlerin und Telefonistin

Brunhilde Prelle im Kreis des ASV Fichte

 

Brunhilde Prelle, geb. Zoschke, verheiratete Starck, 26. Oktober 1911 in Landsberg/Warthe (heutiges Polen) – 16.12.1984 in Ost-Berlin.

Brunhilde Prelle wuchs in Lichtenberg auf und war wie ihr Bruder Hans Zoschke im Lichtenberger Arbeitersport aktiv. In der NS-Zeit leistete sie Widerstand in Lichtenberg zusammen mit Freundin:innen aus dem Arbeitersport. Auf der Zeichnung ist sie ganz rechts im weißen Kleid zu sehen.

Brunhilde Prelle im Kreis des ASV Fichte

Zwischen November 1941 und Anfang 1942 wohnte Alfred Kowalke auch zeitweise bei uns, Revaler Straße 32. Hans, Seelenbinder und Kowalke schleppten ein Klavier in unsere Wohnung. Letztgenannter blieb dann einfach hier, seine Sachen waren im Instrument versteckt. Seinen Namen erfuhr ich nicht, selbst als ich nachbohrte, gab Hans den Fremden als einen gewissen Schwarz und alten Seemannsfreund aus. Ich wunderte mich schon über alles, denn er war nicht immer bei uns, hatte seine Tour. Bei Hans‘ Schwester Brunhilde Prelle, Wartenbergstraße 33, besaß er ein Ausweichquartier, war auch mit ihr liiert. Nachdem im April 1942 auch Brunhilde festgenommen worden war, konnte er nicht mehr dorthin. (Mein Hans war schon am 4. Februar verhaftet worden.) Ich traf Alfred Kowalke dann eines Tages im Bhf. Ostkreuz und sagte leise im Vorbeigehen zu ihm ,Bei uns ist Gestapo gewesen. Er machte sich daraufhin schnell mit dem Zug davon. Als ich einen Koffer mit Wäsche zu Verwandten Kowalkes brachte, erfuhr ich, daß man seinen Vater Karl Kowalke [seit dem 4. Februar 1942] als Geisel genommen hatte.“[1]

Seit 1914 lebte Hilde Zoschke mit ihrer alleinerziehenden Mutter Maria und ihrem älteren Bruder Hans in Lichtenberg. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete Hilde Zoschke als Näherin, anschließend als ungelernte Arbeiterin in verschiedenen Betrieben. Mit 18 heiratete sie Kurt Prelle und bekam mit ihm einen Sohn. Nach drei Jahren ließ sie sich scheiden, der Sohn wuchs beim Vater auf. Hilde Prelle besuchte Abendkurse und arbeitete als Kontoristin und Telefonistin. Anfang der 1940er Jahre lebte sie in Lichtenberg in der Wartenbergstraße 33.

Mit ihrem Bruder Hans Zoschke war sie schon früh im Arbeitersport aktiv und kannte daher unter anderem vermutlich die späteren Widerstandskämpfer:innen Käthe Tucholla, Werner Seelenbinder, Fritz Riedel und Martha Butte, mit denen sie auch z.T. in der Zeit des Nationalsozialismus gemeinsam aktiv war.

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten engagierte sich Hilde Prelle im Widerstand. Sie verbreitete illegale Schriften und sammelte Informationen. Sie hielt weiter Kontakt zu früheren Freund*innen aus dem Arbeitersport und gehörte mit ihrem Bruder der Widerstandsgruppe um Josef „Beppo Römer“, Fritz Riedel und Martha und Fritz Butte an. Hier war sie beteiligt an der Herstellung illegaler Schriften wie dem „Informationsdienst“, der ab 1940 monatlich erschien und über die deutsche Aufrüstung und Kriegsziele berichtete. Mehrfach fanden geheime Treffen in ihrer Wohnung in Lichtenberg statt. Dort versteckte sie auch den kommunistischen Funktionär Alfred Kowalke, der bereits polizeilich gesucht wurde.

Anfang Februar 1942 begann eine Verhaftungswelle gegen die Widerstandsgruppe, in der Hilde Prelle aktiv war. Ende April 1942 wurde auch Hilde Prelle verhaftet und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebracht. Dort musste sie Zwangsarbeit in der Schneiderei leisten. Auch dort leistete sie Widerstand. Im Juli 1943 wurde sie freigelassen und kehrte nach Berlin zurück. Aber bereits Anfang 1944 wurde sie wieder festgenommen und bis zum Prozess im Gefängnis in Landsberg an der Warthe, ihrer Geburtsstadt, inhaftiert. Im Prozess wurde sie aus Mangel an Beweisen freigesprochen, während sowohl ihr Bruder Hans als auch Alfred Kowalke sowie weitere Angeklagte zum Tode verurteilt wurden. Anfang Mai 1944 wurde Hilde Prelle schwer erkrankt aus der Haft entlassen und kehrte nach Berlin zurück.

Nach dem Ende des Krieges arbeitete sie im Bezirksamt Friedrichshain und heiratete später in zweiter Ehe Heinrich Stark, der ebenfalls im Widerstand aktiv gewesen war. Seit Ende der 1950er Jahre war sie Rentnerin.

Hilde Stark starb am 16. Dezember 1984 in Ost-Berlin. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Friedrichsfelde. Seit 2017 erinnert ein Stolperstein in der Wartburgstraße an sie.

Quellen:

Glossar:

Arbeitersportverein Fichte (ASV): 1890 von Sozialdemokrat:innen als Antwort auf ihre Ausgrenzung aus bürgerlichen Sportvereinen in Berlin gegründeter Arbeitersportverein. Ab Anfang der 1920er Jahre kommunistisch dominiert, wurde der ASV mit rund 10.000 Sportler:innen zum weltweit größten „roten“ Sportverein. Er war eine der wenigen kommunistisch geprägten Organisationen, die sich explizit auf die Illegalität nach der Machtübertragung vorbereiteten, die Fichtesportler:innen zerstörten gezielt Mitgliederkarteien, Mobiliar und Sportgeräte sowie -plätze. Nachdem der ASV nach der Machtübertragung verboten war, organisierten sich viele Mitglieder illegal. Ein Teil bewahrte die Strukturen durch Gründung neuer, vermeintlich unpolitischer Sportvereine oder durch den Übertritt in bürgerliche Vereine als geschlossene Sparten.


[1] Elfriede Zoschke (Brunhilde Prelles Schwägerin), Zit. nach: Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Friedrichshain und Lichtenberg. S. 164.

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts Widerständige Frauen gegen den Nationalsozialismus in Lichtenberg des Runden Tisches für Politische Bildung Lichtenberg in Kooperation mit der Zeithistorikerin Trille Schünke-Bettinger (Antifaschistinnen aus Anstand & Netzwerk Frauentouren) und Fritzi Jarmatz (Visuelle Kommunikation & Ideenräume). 

Text & Recherche: Trille Schünke-Bettinger

Grafik: Fritzi Jarmatz 

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