Erna Segal 1899 (Wien, nach anderen Quellen in Polen), 15.08.1989 (Denver, USA)
Gerda Segal 19.02.1924 (Wien) – 1923/24 (Israel)
Wurden im NS als Jüdinnen verfolgt und versteckten sich ab 1943 an verschiedenen Orten in Berlin, unter anderem in der Gartenlaube von Wanda Feuerherm.
Auf der Zeichnung sind Erna und Gerda Segal mit ihrem Mann/Vater Aaron und Sohn/Bruder Manfred zu sehen.
„Jeder Tag brachte etwas Neues, neue Lügen und bösartige Verleumdungen, Hetzen, gar nicht zu sprechen von dem Erlass der Nürnberger Gesetze”. (…) Jeden Tag wurden andere jüdische Mieter abgeholt und einige verschwanden. (…) Wir waren nun Illegale, Menschen ohne jeden Ausweis, ohne die Berechtigung, frei leben und atmen zu dürfen. Menschen, verfolgt, gejagt und gehetzt. Freiwild, ohne je einem Menschen geschadet zu haben.“[1]
Erna Segal wurde in Wien (laut anderen Quellen in Polen) geboren und zog mit ihrem Mann und den drei Kindern, darunter die 1924 geborene Tochter Gerda, nach Lichtenberg an den Stadtpark. Die Familie betrieb ein Pelzwarengeschäft und besaß drei Mietshäuser.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich das Leben der Familie schlagartig. Sie mussten ihr Geschäft aufgeben und aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage mehrfach umziehen. Ende der 1930er Jahre versuchte die Familie aus Deutschland zu fliehen, doch die Überfahrt mit dem Schiff nach Chile wurde ihnen verboten. Gerdas ältester Bruder Hugo gelang Ende der 30er die Flucht nach Belgien. Von dort versuchte er, die Auswanderung in die USA zu organisieren, was ihm jedoch nicht gelang. Im Oktober 1941 wurde Jüdinnen und Juden per Gesetz die Auswanderung verboten. Vor der drohenden Deportation floh die Familie in Berlin in den Untergrund und versteckte sich an verschiedenen Orten. Gerda Segal versteckte sich überwiegend bei Wanda Feuerherm, die mit ihren zwei Kindern in einer Laube in der Gartenkolonie “Dreieinigkeit” im Lichtenberger Fennpfuhl (heute Bernhard-Bästlein-Straße) lebte. Zeitweise war auch Gerdas Mutter Erna dort untergebracht. Von Wanda Feuerherm erhielten die Segals auch Lebensmittel. Erna Segal organisierte gefälschte Papiere, mit denen sie sich etwas sicherer in der Stadt bewegen konnten.
Mit ihrer Familie traf sich Gerda einmal monatlich an wechselnden Orten. 1944 erhielt die Gestapo einen Tipp und durchsuchte daraufhin die Gartenlaube, doch blieb die dann zwanzigjährige Gerda Segal unentdeckt, weil sie gerade in der Stadt unterwegs war. Wie sich kurz nach Kriegsende herausstellte, gab Wanda Feuerherms Ehemann der Gestapo den Hinweis auf das Versteck in der Gartenlaube, woraufhin sie sich umgehend scheiden ließ. Bis Kriegsende versteckten sich Erna und Gerda Segal an verschiedenen Orten in Berlin. Beide überlebten die NS-Zeit, genauso wie Manfred und Aaron Segal. Der dritte Sohn Hugo wurde 1942 im Alter von 21 Jahren in Auschwitz ermordet. Ihre Eltern stellten nach dem Krieg eine Liste aller näheren Verwandten auf, die in der Shoa ermordet wurden. Die Liste zählte 80 Namen.
Nach dem Krieg versuchten sie, wieder in Berlin Fuß zu fassen, wanderten aber 1949 in die USA aus. Erna Segal engagierte sich ab 1956 als Zeitzeugin und verfasste einen 300seitigen Bericht über ihre Tätigkeiten und Erfahrungen im Nationalsozialismus. Gerda Segal übersiedelte später nach Israel. Auf ihre Initiative wurden Wanda Feuerherm und ihre Tochter Vera von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als “Gerechte unter den Völkern” geehrt. Gerda Segal starb im Alter von fast 100 Jahren in Israel.
Eine Erinnerung im öffentlichen Raum an Erna und Gerda Segal gibt es bisher nicht.
Quellen:
- Beate Kosmala: Stille Helden. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Nationalsozialismus. https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/dossier-nationalsozialismus/39566/stille-helden/
- Carmen Schucker: Jüdisches Leben unter Nationalsozialisten: Untergetaucht in Berlin: Wir waren Freiwild. https://www.tagesspiegel.de/berlin/untergetaucht-in-berlin-wir-waren-freiwild-3597964.html
- Kulturring Berlin: Erna Segal: https://www.kulturring.org/frauenpersoenlichkeiten/index.php?bezirk=friedrichshain-kreuzberg&frauen=in-der-gesellschaft&info=43
[1] Erna Segal, Gerda Segals Mutter. Zit. nach: Carmen Schucker: Jüdisches Leben unter Nationalsozialisten: Untergetaucht in Berlin: Wir waren Freiwild. https://www.tagesspiegel.de/berlin/untergetaucht-in-berlin-wir-waren-freiwild-3597964.html
Dieser Beitrag ist Teil des Projekts Widerständige Frauen gegen den Nationalsozialismus in Lichtenberg des Runden Tisches für Politische Bildung Lichtenberg in Kooperation mit der Zeithistorikerin Trille Schünke-Bettinger (Antifaschistinnen aus Anstand & Netzwerk Frauentouren) und Fritzi Jarmatz (Visuelle Kommunikation & Ideenräume).
Text & Recherche: Trille Schünke-Bettinger
Grafik: Fritzi Jarmatz