20 Jahre Licht-Blicke

2002 begann in Lichtenberg die Netzwerkstellenarbeit mit dem Ziel zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken und extrem rechten Strukturen etwas entgegenzusetzen. Mit ehemaligen Kolleg*innen werfen wir einen Blick zurück. Was waren Herausforderungen und Meilensteine? Hier sprechen wir mit Eva Prausner.

Im Rahmen des damaligen Bundesprogramms “CIVITAS – Initiative gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern” gab es auch für die Berliner Ostbezirke die Möglichkeit Netzwerkstellen aufzubauen, um demokratische, menschenrechtsorientierte Handlungsstrategien vor Ort zu entwickeln. In Pankow, Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf bestehen diese Projekte noch heute. Bei ihnen sind u.a. die Koordinierungsstellen der Partnerschaften für Demokratie, die Registerstellen und Projekte der politischen Bildungsarbeit angesiedelt. 

Eva Prausner war von 2003 bis 2011 Mitarbeiterin bei Licht-Blicke. Sie leitet mittlerweile das Projekt Elternstärken, das sie während ihrer Licht-Blicke Zeit ins Leben gerufen hat.

Auch Du hast die Fach- und Netzwerkstelle Licht-Blicke viele Jahre geprägt. Was sind deine besten Erinnerungen an die Zeit? Was waren wichtige Meilensteine? 

„Der Kiezatlas schrieb irgendwann in meiner Zeit über das Projekt: Licht-Blicke – Netzwerk für Demokratie und Toleranz fördert die aktive Beteiligung von Menschen für ein demokratisches Gemeinwesen. Angebote sind: Koordination von Jugendzentren gegen Diskriminierung; Register rechtsextremer Vorkommnisse; Fortbildung und Qualifizierung von Multiplikator*Innen der Sozialen Arbeit; Stolpersteine; Beratung von Eltern extrem rechts orientierter Kinder“. Vieles ist in den Anfangsjahren mit dem Kollegen Uwe Neirich entstanden. Schön ist, dass es vieles davon immer noch gibt.

Es ist schon in den ersten Jahren gelungen drei Projekte in den Bezirk zu holen und dort erfolgreich zu etablieren. Das Stolpersteinprojekt im Rahmen der politisch-historischen Bildungsarbeit, das Register extrem rechter Vorkommnisse, dass es zuvor nur in Pankow gab. Sehr gefragt waren auch die Argumentationstrainings gegen rechts über viele Jahre. Politische Bildung war ein wesentlicher Kern der Arbeit und auch Türöffner für längere Prozesse. Exemplarisch ist da vielleicht das Projekt „Stille Helden“. Hier möchte ich die langjährige Kollegin Melanie Röser besonders hervorheben. Sie verstand es, bisher nicht aktive Akteur*innen für die (Widerstands-) Geschichte ihres Wohnortes zu interessieren. So waren der Verein „Wir für Malchow“, die Kirchen in Malchow und in Karlshorst mit Pfarrer Edgar Dusdahl, Schrebergärten „Zum gemütlichen Hasen“ in die Gestaltung und Aufarbeitung der Erinnerungskultur und der Geschichte des Widerstands der Stillen Held:innen vor Ort aktiv einbezogen.

Wichtig war auch Engagierten und Vereinen bei der Umsetzung ihrer Ideen für eine demokratische Kultur zu unterstützen. Dazu gehört u.a. viel Antragsberatung. Einfallen tut mir da gerade ein wichtiges Kurzfilm-Projekt des UAB (Unabhängige Anlaufstelle für BürgerInnen Hohenschönhausen/Lichtenberg) über „Angsträume“ in Neu-Hohenschönhausen und Fennpfuhl. Hier kamen Personen zu Wort, die von der Neonazi-Szene bedroht und angegriffen wurden: Punker, eine jugendliche Skater-Gruppe am Prerower Platz, People of Color, antifaschistische Initiativen. Diese Filme machten Probleme sichtbar und damit auch besprechbar.

In meine Zeit fällt die wichtige Gründung der Elternselbsthilfegruppe „Eltern gegen rechts”. Diese hat für Eltern in Berlin ein wichtiges Angebot von Beratung und Austausch geschaffen. Über die Selbsthilfe hinaus waren die Eltern mit ihren Erfahrungsberichten auf Fachtagen, Veranstaltungen und in unterschiedlichen Medien vertreten. Sowas hatte es vorher nicht gegeben. Das Land Berlin entschied sich dann 2008 das Projekt zu fördern und somit das Projekt „ElternStärken“ auf den Weg zu bringen, das ich heute noch leite.”

 

Was war die größte Herausforderung in der Auseinandersetzung mit extremer Rechter, Rassismus und Diskriminierung damals? 

“Trotz vieler Widerstände zu Beginn des Projekts „jetzt wollen uns die Wessis zeigen, wie Demokratie funktioniert“, oder „schon wieder einer, der was zu Demokratie machen will“, ist es gelungen nach zahlreichen Gesprächen, Klinkenputzen und Kaffeetrinken, das Netzwerk für Demokratie und Toleranz aufzubauen. In regelmäßigen Abständen trafen sich in großer Runde Multiplikator*innen freier Träger, Jugendamt und andere, um gemeinsam die Probleme mit der extrem rechten Szene in Lichtenberg zu diskutieren und Gegenstrategien zu entwickeln.

Zugleich waren wir immer wieder mit Schändungen von Gedenktafeln und Stolpersteinen durch Neonazis konfrontiert. Das war ermüdend, auch wenn eine aktive Bürger*innenschaft im Weitlingkiez aktiv war und sich an der Reinigung beteiligte und Vorfälle meldete.

Rund um die Elterninitiative „Eltern gegen rechts“ und die damalige Initiative gegen rechts in Karlshorst kam es immer wieder zu Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen durch die Aktivist*innen der Kameradschaft Tor. Das war die schwierigsten Zeiten für mich. Auch weil man so um seinen Schutz kämpfen musste und dass diese Bedrohungen ernst genommen werden.”

 

Was war besonders an der Arbeit in Lichtenberg? Gab es besondere Herausforderungen oder Chancen? 

“Schön fand ich verschiedene langjährige Kooperationen mit Menschen vor Ort, die gegen das Image als „Nazikiez“ wirklich was machen wollten. So wie die 10-jährige Kooperation mit dem Interkulturellen Bildungszentrum im Weitlingkiez. Wichtig waren Menschen wie Sufian Weise, Dietrich Lederer, Annette Kübler und andere. Aber ebenso berlinweite Fachprojekte mit denen wir einmal im Jahr einen gut besuchten Fachtag für Kita und Schule gestaltet haben zum vorurteilsbewussten und kultursensiblen Umgang mit Eltern und Kindern.

Christina Emmrich als Bürgermeisterin war für unsere Arbeit sehr wichtig. Sie stärkte uns nicht nur den Rücken. Sie positionierte sich eigentlich immer gegen rechts und sorgte für die Übernahme von Teilen der Netzwerkstelle in die bezirkliche Förderung.

Sehr geschätzt habe ich, dass es kontinuierlich mit allen beteiligten Mitarbeitenden, eine intensive Reflektion und Auseinandersetzung über unser Vorgehen und Konzept gegeben hat.”