Museum Berlin-Karlshorst – Führungen durch die Dauerausstellung „Deutschland und die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg 1941-1945“

Ein Bericht von Antonia Meißner

Am 23. Juni 2022, einen Tag nach dem Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion 1941, haben wir die Ausstellung „Deutschland und die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg“ im Museum Berlin-Karlshorst besucht.

Uns interessierte besonders die Rolle des Antislawismus und Antisemitismus im Zweiten Weltkrieg.


Auf Initiative des bezirklichen Antisemitismusbeauftragten André Wartmann, in Kooperation mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V. und mit Unterstützung des Museum Berlin-Karlshorst griffen zwei Führungen dieses Thema auf. Ausgangspunkt dieser Kooperation waren auch Diskussionen beim Runden Tisch für politische Bildung. Die Führungen gingen insbesondere der Frage nach, welche Weltanschauungen und welche Feindbilder dem Handeln der Kriegsgegner zugrunde lagen. In 90 Minuten wurde besonders auf die antislawistischen und antisemitischen Feinbilder im Nationalsozialismus eingegangen.

Das Museum Berlin-Karlshorst

Zu Beginn der Führung konnten wir den geschichtlichen Hintergrund des Museums Berlin-Karlshorst kennenlernen. Das Museum ist zugleich ein historischer Ort. So wurde in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 an dieser Stelle die bedingungslose Kapitulation durch die Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Anwesenheit von Vertretern der Sowjetunion, der USA, Großbritanniens und Frankreichs unterzeichnet. Damit endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Der Saal in dem die Kapitulation unterschrieben wurde, kann im Museum Berlin-Karlshorst besichtigt werden. Nach der Einnahme durch die Rote Armee wurde das Gebäude, in dem sich seit 1967 ein Museum befindet, zum Hauptquartier der Roten Armee in Berlin. Er wurde anhand von Filmaufnahmen vom 8. Mai 1945 originalgetreu eingerichtet. Zuvor war es als Pionierschule der Wehrmacht genutzt worden. Heute kann im Museum Berlin-Karlshorst die Dauerausstellung „Deutschland und die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg“ besichtigt werden. Regulär werden Führungen durch diese Ausstellung angeboten, die einen Überblick über den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion geben.

Antislawismus im Zweiten Weltkrieg

Unter dem Begriff Antislawismus wird die Diskriminierung, Abwertung und Verfolgung als zu einer vermeintlichen „slawischen Rasse“ gehörigen Menschen verstanden. Dies betrifft und betraf insbesondere Osteuropäer*innen. Antislawismus war bereits vor dem Nationalsozialismus verbreitet. Schon im ersten Weltkrieg wurde antislawistische Propaganda genutzt. Zudem finden sich zahlreiche antislawistische Inhalte in Hetzschriften aus den 1920er Jahren. Beispiele hierfür sind die antisemitischen, rassistischen und auch antislawistischen Werke von Alfred Rosenberg. Im Nationalsozialismus fand der Antislawismus schließlich seinen grausamen Höhepunkt und kostete Millionen Menschen das Leben. Er ist Teil der menschenverachtenden „Rassenlehre“, welche das Kernelement der nationalsozialistischen Ideologie darstellt. Menschen, die einer vermeintlichen „slawischen Rasse“ angehörten, wurden als minderwertig dargestellt. Zudem wurden diese Menschen oft als Russen pauschalisiert, obwohl zur Sowjetunion zahlreiche Staaten gehörten, wie beispielsweise Georgien, Litauen oder die Ukraine.

Antislawismus und Antisemitismus

Der Antislawismus ist eng mit dem Antisemitismus verbunden, schon allein, weil in es in der Sowjetunion einen großen Anteil jüdischer Bevölkerung gab. Die Nationalsozialisten gingen von einer angeblichen „jüdisch-bolschewistischen Verschwörung“ aus und rechtfertigten damit ihren Vernichtungskrieg. Diesen stellten sie als eine „Verteidigung“ dar, um einem vermeintlichen Angriff durch die Sowjetunion zuvorzukommen. Durch Propaganda-Materialen, wie Hefte, Plakate und Broschüren wurde antislawistische Hetze verbreitet. So gab es beispielsweise eine Schrift des SS-Hauptamtes mit dem Titel „Der Untermensch“, in welchem die rassistischen und antisemitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten dargestellt wurden. Zusätzlich gab es diverse „Ausstellungen“, wie zum Beispiel die Ausstellung „Das Sowjetparadies“ in Berlin 1942. Hier wurde die angebliche Rückständigkeit, aber auch die imaginierte „Gefahr“ durch die Sowjetunion und den Bolschewismus dargestellt. Bei der Ausstellung „Sowjetparadies“ wurden unter anderem Bilder von Gefangenen aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen ausgestellt, um die angebliche Minderwertigkeit und Ungepflegtheit der „Russen“ darzustellen. Die antislawistische Abwertung ging einher mit einer absoluten Entmenschlichung der Opfer.

Antislawismus und Geschlecht

Auch auf die Verknüpfung antislawistischer Ideologie und Geschlechtervorstellungen wurde im Rahmen der Führung eingegangen. So wurde besondere Situation von Frauen thematisiert. In der Roten Armee kämpften im Gegensatz zur Wehrmacht auch Frauen. Im Museum Berlin-Karlshorst sind sowjetische Propaganda-Plakate ausgestellt, auf denen Frauen explizit adressiert werden, sich dem Kampf gegen den Faschismus anzuschließen. So zeigt beispielsweise ein Plakat eine junge Frau mit einem roten Kleid und Kopftuch, die vor Ruinen steht. Auf Russisch steht darüber geschrieben „Der Faschismus ist der größte Feind der Frauen“.

Frauen waren in der sowjetischen Armee beispielsweise als Pilotinnen direkt an militärischen Handlungen beteiligt, während Frauen in der Wehrmacht zumeist unterstützende Tätigkeiten wie beispielsweise als Stenotypistinnen und Bürohilfskräfte, oder die medizinische Versorgung der Soldaten übernahmen. Die Frauen der Roten Armee galten in der nationalsozialistischen Ideologie als „fanatisch“ und somit besonders gefährlich, da sie nicht nur durch die antislawistische Ideologie abgewertet wurden, sondern gleichzeitig gegen das Geschlechterrollenverständnis der Nationalsozialisten verstießen. Sie wurden häufig nicht in Gefangenschaft genommen, sondern sofort ermordet.

Aber auch in der nationalsozialistischen Propaganda war die Kategorie Geschlecht relevant. So wurden „deutsche“ Frauen als besonders schützenswert dargestellt. Dies wurde auch in die antislawistische Ideologie integriert, indem „deutsche“ Frauen vor den vermeintlich gefährlichen vergewaltigenden “Russen” geschützt werden sollten. Auch nach der Ankunft der Alliierten wurde dieser Mythos vom „vergewaltigenden Russen“ stark weiterverbreitet. Tatsächlich waren innerhalb des Kriegsgeschehens unzählige Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen, den sowjetischen Soldaten wurde jedoch eine besondere Übergriffigkeit und Brutalität unterstellt.

Sensibilisierung für Antislawismus in der politischen Bildung

Auch heute sind antislawistische Stereotype noch wirksam, daher sollten wir uns in der politischen Bildungsarbeit damit befassen. Die Auseinandersetzung mit dieser Form der Diskriminierung und Ausgrenzung ist noch relativ jung und wenig beleuchtet. Es braucht daher noch viel Sensibilisierung und Beschäftigung mit diesem wichtigen Thema. Durch die Führung im Museum Berlin-Karlshorst konnten wir uns der Thematik aus einer historischen Perspektive annähern. Wir bedanken uns ganz herzlich beim Museum Berlin-Karlshorst für die sehr interessanten Führungen!